Obwohl beim Vorstellungsgespräch jeder angibt, sich voll und ganz mit dem Unternehmen, seinen Werten und seiner Arbeit zu identifizieren, sagt die Statistik: 67-84 Prozent der Mitarbeiter sind gering bis gar nicht emotional involviert. Das kostet Geld, Zeit und Sympathien bei den Kunden. Ganz zu schweigen von der negativen Wirkung auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Die daraus schlüssige Annahme wäre, wir brauchen mehr intrinsische Motivation. Ganz so einfach ist es nicht. Intrinsische Motivation gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen und manche davon richten noch mehr Schaden an.
Sie kennen das. Der Firmenchef sagt: Alle lieben ihren Job. Das im Schnitt 67-84 Prozent gering bis nicht emotional involviert sind, passt komplett nicht auf seine Firma. Alle bleiben hier gerne auch mal länger. Auch haben sie Bier im Kühlschrank und eine Playstation. Ob er jemals die emotionale Involvierung gemessen hat? Nein, und dass ist auch nicht notwendig. Er kennt ja seine Mitarbeiter.
Liegt er daneben? Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Noch viel wahrscheinlicher werden zwei innere Zustände verwechselt. Kein Wunder die beiden ähneln sich stark.
Extrinsische Motivation ist nicht zeitgemäss
Lob oder Tadel? Positive oder negative Anreize? Der amerikanische Verhaltenspsychologe B. F. Skinner postulierte 1957 die reinforcement theory. Verkürzt besagt sie wie «wünschenswertes» Verhalten erzeugt werden kann: durch Belohnung oder Bestrafung. Die Idee ist alt. Martin Luther schrieb bereits 1537 in seiner Auslegung des Epheserbriefes von «Apfel und Rute”, oder etwas moderner «Zuckerbrot und Peitsche”.
Extrinsische Motivation funktioniert, hat aber Nebeneffekte. Gibt eine Firma Geld als positive Verstärkung - weil offensichtlich glasklar ist, dass der Mensch Geld will - führt das zu schlechteren Ergebnissen. Dies wird nicht nur durch neuere Ergebnisse bestätigt wie die Metaanalyse von Edward Deci, Professor an der University of Rochester oder die von Bernd Irlenbusch der Universität Köln, der Verschlechterung der Leistung in Teams durch Geldanreize nachwies. Nein, diese Tatsache ist mindestens bekannt seit den 1960er Jahren. Der Grund dafür ist erstaunlich simpel. Extrinsische Motivation ersetzt intrinsische Motivation und extrinsische Motivation ist schwächer.
Trotz dieses Wissens halten auch im Jahr 2019 noch immer wissenschaftsfreundliche Unternehmen die Einführung von Boni als Mittel der Motivations- und Leistungssteigerung für eine gute Idee.
Was ist die oberste Maxime für einen guten Chef? Ein guter Chef motiviert seine Mitarbeiter durch glänzendes Vorbild und Lob. Sogenanntes social reinforcement. Funktioniert auch. Wenn Chef sein für einen bedeutet: Extrem viel Energie verteilen die im Anschluss verpufft. Sprache verrät viel, lasst uns genau hinschauen. Der Chef (Subjekt) motiviert (Verb) seine Mitarbeiter (Objekt). Der Mitarbeiter ist das Objekt der Aktion. Er handelt nicht. Motivation wird von aussen hinzugefügt. Mit Vorbild zu motivieren ist sicherlich einiges besser als mit einem Bonus oder Geld, aber lassen sie sich kein X für ein U machen. Ein motivierender Chef ist weiterhin extrinsische Motivation und extrinsische Motivation ist äusserst ineffizient.
Die extrinsische Motivation folgt den Normen der autoritären Ethik. Jemand weiss, was wünschenswert und richtig ist für andere. Dieser jemand möchte für seinen eigenen Gewinn, dass ein gewisses Verhalten an den Tag gelegt wird. Dies ist nicht vereinbar mit der humanistischen Ethik.
Intrinsische Motivation ist nicht gleich intrinsische Motivation
Es liegt auf der Hand; Intrinsische Motivation ist die Lösung. Der Chef weiss: Sie kommt aus jedem Menschen heraus. Mitarbeiter, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, sind offensichtlich intrinsisch motiviert. Sie verbringen gerne auch mal ein paar Stunden mehr im Büro, denn was sie machen, machen sie gerne. Aus dem gleichen Grund ist Teilzeit arbeiten auch nicht relevant. In der Freizeit selbst noch etwas in dem Bereich zu tun und sich weiterentwickeln bereitet Freude und ist gut für die Firma.
Oder muss er genauer hinsehen?
Erich Fromm, Psychoanalytiker und einer der bedeutendsten Humanisten des 20. Jahrhunderts, schreibt, dass der Mensch zwei Handlungsmöglichkeiten hat. Entweder aktiv aus sich heraus oder er ist passiv getrieben. Aktivitäten zeichnen sich durch innerliche Produktivität aus. Passivität zeigt sich durch Abwesenheit innerer Produktivität. Auf die Arbeit gemünzt hiesse passiv-intrinsische Motivation, dass die bereitgestellte Energie oder Kraft unter anderem durch eine beliebige Angst oder dem Gefühl nicht zu genügen erzeugt wird. Das klingt beim ersten Mal lesen harsch. Aber denken Sie sich das einfach als das Ende eines Spektrums. Jede Handlung kann aktiv oder passiv ausgeführt werden.
Stellen Sie sich ein Bild eines rennenden Mannes vor. Können wir erkennen, ob er aktiv ist? Nein, denn uns fehlt ein Teil des Bildes. Der Teil den wir nicht sehen, könnte eine weitere Person sein, die ihn mit einem Messer in der Hand verfolgt. In diesem Fall wäre der Mann eindeutig getrieben. Aber die zweite Person könnte genausogut mitrennen und eine sehr aktive Beziehung ausdrücken. Was auch immer auf dem unsichtbaren Bildausschnitt ist, die Motivation fürs Rennen bleibt uns verborgen. Was im Inneren oder unzugänglichen Unterbewussten vor sich geht und die Motivation für die Handlung ist, sehen wir nicht.
Innerliche und äusserliche Passivität korrespondieren ebenfalls nicht zwingend: Stellen Sie sich jemanden vor, der mit geschlossenen Augen dasitzt. Möglicherweise ist diese Person komplett leer. Aber möglicherweise ist sie hoch aktiv und meditiert konzentriert oder überlegt wie sie die neuen Quartalszahlen dem Verwaltungsrat optimal präsentiert.
Auch die Arbeitsleistung ist kein Mass. Obwohl grundsätzlich aktiv-intrinsische Motivation auf Dauer bessere Resultate erzielt als passiv-intrinsische, kann sich auch das Gegenteil abzeichnen: Gerade bei Hochleistungsjobs wie an Universitäten werden Sie Getriebene finden. Kennzeichnend ist oft, dass diese Leute nicht auf sich selbst achten. Sondern auf das was erwünscht ist oder von ihnen verlangt wird. Ausgesprochen oder unausgesprochen spielt dabei keine Rolle. Oder den Fokus auf den Erfolg. Vielleicht sehen sie dabei sogar so aus, als würden sie auf sich achten, da sie Sport betreiben, schnell noch Yoga absolvieren und eine Beziehung führen. Zweckfreie Zeit ist ihnen oft rar. Eine intrinsische Motivation kann immer sowohl aktiv als auch passiv sein.
Aktiv-intrinsische Motivation kann teils kurzzeitig weniger verkaufbaren Output erzielen. Aber sie führt garantiert nicht zu Burnout - der wirtschaftlich betrachtet viel teurer ist. Burnout kann unter anderem verstanden werden als fehlender Weltbezug. Wenn nichts mehr mit einem spricht. Die Welt grau wird. Wenn jegliches Interesse fehlt und auch die Kraft, etwas zu tun.
Passiv-intrinsisch kostet viel Energie. Aktiv-intrinsisch spendet Energie. Wer liebt kann nachher leichter lieben. Wer seine kreative und schöpferische Kraft benutzt, dem wird neues Schaffen leichter fallen. Wenn Sie eine Kerze anzünden, dann brennt sie ab. Sie ist weg. Wenn Sie sich aktiv mit einem Thema befassen, werden sie sich in Zukunft leichter mit anderen Themen befassen können. Das heisst: Aktiv-intrinsische Motivation ist wie ein Muskel, der trainiert wird.
Intelligente getriebene Mitarbeiter können die Leere besser verstecken. Vor sich selbst wie auch vor anderen. Arbeit kann für sie eine Flucht sein. Ihre Begründung, warum gerade jetzt noch ein bisschen mehr gearbeitet werden muss ist vermutlich meistens plausibel. Dies ist eine notwendige Überlebensstrategie. Sich der eigenen Leere bewusst werden ist keine erfreuliche Erfahrung. So wie jede Handlung kann Arbeit natürlich auch eine aktive Beziehung zu sich und der Welt sein. Arbeit ist sogar etwas essentielles. Fromm würde sagen, der Mensch möchte Arbeiten, nur nicht entfremdet. Deswegen ist eine Charakteristik aktiv-intrinsischer Motivation, dass die Integrität einer Person gewahrt wird. Die Person sich also nicht aufgibt.
Dass der Unterschied zwischen aktiv-intrinsisch und passiv-intrinsisch oft nicht in den populärwissenschaftlichen Diskurs einbezogen wird, liegt vermutlich daran, dass beide stärkere Motivation darstellen als extrinsische Motivation.
Aktive Mitarbeiter sind produktiv und werden nicht regelmässig zehn Stunden-Arbeitstage schieben, sondern nur als Ausnahme. Denn ein tatsächliches Inter-esse (darin sein), was eine Vorraussetzung für innere Produktivität ist, kann nicht nur für eine einzige Sache existieren.
Innere Aktivität und damit aktiv-intrinsische Motivation kann mit einer guten Unternehmenskultur gefördert werden und zahlt sich sowohl finanziell als auch menschlich aus.
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